Mittwoch, 20. April 2011

Ein Jahr Deepwater Horizon: Ein Rückblick auf das visuelle Krisenmanagement

Heute vor einem Jahr, am 20. April 2010, explodierte die Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko. Nach 36 Stunden sank die Plattform und Rohöl schoss aus der Steig­leitung. BP-Chef Tony Hayward beschwichtigt zunächst, das Ereignis habe nur gering­fügige Umweltauswirkungen. So schien es wenigstens, denn das Öl war deshalb an den Küsten Louisianas, Mississippis und Alabamas unsichtbar, weil es mit großen Mengen der Chemikalie Correxit auf den Meeresgrund drückt wurde.
Als aufgrund der Bilder vom Meeresgrund und bald von ölverklebten Tieren der mediale Druck größer wurde, wandte sich BP mit „A Message from Tony Hayward“ per Video­botschaft an die Öffentlichkeit. In der kurzen Ansprache verdeutlicht Hayward, dass BP sich für den Unfall entschuldigt und aktiv den Schaden begrenzt. Seine Worte werden von unzähligen Bildern verstärkt, die den 60-Sekunde-Clip hineingeschnitten sind. Darin sind lächelnde Menschen zu sehen, die Vögel waschen sowie saubere Strände.

BP hat offenbar viel von Shell über visueller Kommunikation dazugelernt. Im Jahr 1995 hatten die Bilder von Greenpeace die öffentliche Diskussion dominiert und schließlich die geplante Versenkung der Brent Spar verhindert. Der Image­schaden war für die gesamt Branche groß. Kurze zeit später startete BP eine groß angelegte Image­kampagne, in deren Zentrum ein neues Firmenlogo stand: Das alte Logo von Raymond Loewy wurde zugunsten einer grüne Sonne auf­gegeben, die für ein umwelt­freundliches Unternehmen stehen sollte.
Visuelle Kommunikation lebt jedoch von Credibility. Wird eine Inszenierung als solche erkannt, kommt es zu Reaktanz und die Rezipienten widersetzt sich der Botschaft. Als Hayward in einem Interview sagte „I'd like my life back“, erschien die Kampagne vielen als un­glaub­würdig und nur vorgeschoben, um vom Ausmaß der Katastrophe abzulenken.
Schließlich brachte dies auch Präsident Obama in Zugzwang. Er konnte zwar vom Weißen Haus in Washington aus Worte an die Öffentlich­keit richten, die Menschen fühlten sich aber von BP nicht ernst genommen und erwarteten, dass ich der Präsident um sie kümmert. Obama stand vor allem deshalb unter Druck, weil seinem Amts­vor­gänger George Bush vorgeworfen wurde, nach dem Hurricane Katrina die Bewohner von New Orleans im Stich gelassen zu haben.
Ein Pressefoto zeigte Bush aus dem Fenster der Air Force One auf New Orleans blickend, das den Eindruck von Distanziertheit verstärkte. Später erkannte er den Fehler des Bildes: „Huge mistake. (…) Detached and uncaring. No question about it. (…) I was the one who should have said, A, don't take my picture, B, let's land in Baton Rouge, Louisiana, C, let's don't even come close to the area. Let's -- the next place to be seen is in Washington at a command center. I mean, it was my fault.“
Barack Obama wusste, er muss ein Bild produzieren, das ihn sorgen­voll am Ort des Ge­schehens zeigt. Diese Fotos entstanden am 28. Mai 2010 in Port Fourchon, Louisiana. Sie wurden von vielen Nachrichten­­agenturen verbreitet und brachten das Bild in die Vor­stellung der Menschen: Obama kümmert sich. Selbst­­verständlich ist dieses Bild kein Zufalls­­produkt. Viel­mehr wurde die Presse eingeladen, den Präsidenten am Strand zu begleiten. Dort ergaben sich eine Reihe von Photo Opportunities, die die Botschaft visuell ver­deutlichten.
The Economist brachte 19. Juni ein Bild aus dieser Reihe gar auf ihren Titel. Das Problem dieses Fotos ist weniger, dass zwei Personen aus dem Bild wegretuschiert wurden. Dies wurde bereits von der New York Times bemerkt.
Thematisiert wurde dagegen bisher nicht, dass dieses Bild suggeriert, die Ölplatt­form im Hinter­grund habe etwas mit der Katastrophe zu tun. Die Deepwater Horizon war nicht nur einen Monat zuvor bereits gesunken, sie befand sich auch etwa 180 km entfernt von Fourchon Beach und damit von diesem Standort aus wohl kaum sichtbar. Bei der Platt­form im Hinter­grund handelt sich vielmehr um eine von Hunderten, die im Golf von Mexiko stationiert sind. Sie dient nur als Symbol innerhalb der Bildinszenierung.
Am 1. 4. 2011 sagte Lothar Späth: „Ich bin wirklich überzeugt, dass Bilder Ent­scheidungen herbeiführen, mehr Ent­scheidungen bei den Leuten herbeiführen als Strich­listen.“ In den USA hat man längst verstanden, dass politische Kommunikation auch visuell sein muss.

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