Heute vor einem Jahr, am 20. April 2010, explodierte die Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko. Nach 36 Stunden sank die Plattform und Rohöl schoss aus der Steigleitung. BP-Chef Tony Hayward beschwichtigt zunächst, das Ereignis habe nur geringfügige Umweltauswirkungen. So schien es wenigstens, denn das Öl war deshalb an den Küsten Louisianas, Mississippis und Alabamas unsichtbar, weil es mit großen Mengen der Chemikalie Correxit auf den Meeresgrund drückt wurde.
Als aufgrund der Bilder vom Meeresgrund und bald von ölverklebten Tieren der mediale Druck größer wurde, wandte sich BP mit „A Message from Tony Hayward“ per Videobotschaft an die Öffentlichkeit. In der kurzen Ansprache verdeutlicht Hayward, dass BP sich für den Unfall entschuldigt und aktiv den Schaden begrenzt. Seine Worte werden von unzähligen Bildern verstärkt, die den 60-Sekunde-Clip hineingeschnitten sind. Darin sind lächelnde Menschen zu sehen, die Vögel waschen sowie saubere Strände.
BP hat offenbar viel von Shell über visueller Kommunikation dazugelernt. Im Jahr 1995 hatten die Bilder von Greenpeace die öffentliche Diskussion dominiert und schließlich die geplante Versenkung der Brent Spar verhindert. Der Imageschaden war für die gesamt Branche groß. Kurze zeit später startete BP eine groß angelegte Imagekampagne, in deren Zentrum ein neues Firmenlogo stand: Das alte Logo von Raymond Loewy wurde zugunsten einer grüne Sonne aufgegeben, die für ein umweltfreundliches Unternehmen stehen sollte.
Visuelle Kommunikation lebt jedoch von Credibility. Wird eine Inszenierung als solche erkannt, kommt es zu Reaktanz und die Rezipienten widersetzt sich der Botschaft. Als Hayward in einem Interview sagte „I'd like my life back“, erschien die Kampagne vielen als unglaubwürdig und nur vorgeschoben, um vom Ausmaß der Katastrophe abzulenken.
Schließlich brachte dies auch Präsident Obama in Zugzwang. Er konnte zwar vom Weißen Haus in Washington aus Worte an die Öffentlichkeit richten, die Menschen fühlten sich aber von BP nicht ernst genommen und erwarteten, dass ich der Präsident um sie kümmert. Obama stand vor allem deshalb unter Druck, weil seinem Amtsvorgänger George Bush vorgeworfen wurde, nach dem Hurricane Katrina die Bewohner von New Orleans im Stich gelassen zu haben.
Ein Pressefoto zeigte Bush aus dem Fenster der Air Force One auf New Orleans blickend, das den Eindruck von Distanziertheit verstärkte. Später erkannte er den Fehler des Bildes: „Huge mistake. (…) Detached and uncaring. No question about it. (…) I was the one who should have said, A, don't take my picture, B, let's land in Baton Rouge, Louisiana, C, let's don't even come close to the area. Let's -- the next place to be seen is in Washington at a command center. I mean, it was my fault.“
Barack Obama wusste, er muss ein Bild produzieren, das ihn sorgenvoll am Ort des Geschehens zeigt. Diese Fotos entstanden am 28. Mai 2010 in Port Fourchon, Louisiana. Sie wurden von vielen Nachrichtenagenturen verbreitet und brachten das Bild in die Vorstellung der Menschen: Obama kümmert sich. Selbstverständlich ist dieses Bild kein Zufallsprodukt. Vielmehr wurde die Presse eingeladen, den Präsidenten am Strand zu begleiten. Dort ergaben sich eine Reihe von Photo Opportunities, die die Botschaft visuell verdeutlichten.
The Economist brachte 19. Juni ein Bild aus dieser Reihe gar auf ihren Titel. Das Problem dieses Fotos ist weniger, dass zwei Personen aus dem Bild wegretuschiert wurden. Dies wurde bereits von der New York Times bemerkt.
Thematisiert wurde dagegen bisher nicht, dass dieses Bild suggeriert, die Ölplattform im Hintergrund habe etwas mit der Katastrophe zu tun. Die Deepwater Horizon war nicht nur einen Monat zuvor bereits gesunken, sie befand sich auch etwa 180 km entfernt von Fourchon Beach und damit von diesem Standort aus wohl kaum sichtbar. Bei der Plattform im Hintergrund handelt sich vielmehr um eine von Hunderten, die im Golf von Mexiko stationiert sind. Sie dient nur als Symbol innerhalb der Bildinszenierung.
Am 1. 4. 2011 sagte Lothar Späth: „Ich bin wirklich überzeugt, dass Bilder Entscheidungen herbeiführen, mehr Entscheidungen bei den Leuten herbeiführen als Strichlisten.“ In den USA hat man längst verstanden, dass politische Kommunikation auch visuell sein muss.
Der Weblog startete am 4.4.2011, als Barack Obama den Wahlkampf zu seiner Wiederwahl eröffnete. Ziel dieses Weblogs ist die Analyse aktueller politischer Ereignisse aus Sicht der visuellen politischen Kommunikation. Dabei wird vor allem der US-Wahlkampf verfolgt. Ziel ist aber ebenso eine Beobachtung der deutschen Wahlkämpfe im Superwahljahr und der Vorlauf zur Bundestagswahl 2013 anhand aktueller Bilddiskussionen sowie Anmerkungen zu einer Theorie Visueller Wahlkampfkommunikation.
Mittwoch, 20. April 2011
Ein Jahr Deepwater Horizon: Ein Rückblick auf das visuelle Krisenmanagement
Eingestellt von
hklinke
um
12:52
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