Dienstag, 10. Mai 2011

Der Bilderkrieg ist gewonnen

Das Ziel Visueller Kommunikation ist die Formung eines Images in den Köpfen der Betrachter, also die Vorstellung, die man sich (von der Person) macht. Mittel dazu ist vor allem die Generierung von Bildern, die visuell eine Botschaft vermitteln. Gleichzeitig ist es notwendig, die möglichen Bilder zu begrenzen, zu steuern und zu kontrollieren. Aus diesem Grund werden im politischen Kontext die Auftritte des Kandidaten präzise geplant und der ungeregelte Zugang zum Kandidaten streng begrenzt. So kann die visuelle Botschaft möglichst effektiv gesteuert werden, ohne dass andere Bilder mit entgegengesetzter Botschaft an die Öffentlichkeit kommen und den Aufbau des gewünschten Images stören.
Dieses Vorgehen hat vor allem die amerikanische Politik und das Militär zu großer Perfektion gebracht. Spätestens seit Nixon ist das medial vermittelte Bild einer genauen Inszenierung unterworfen. Auch die Mechanismen, um einen Bilderkrieg zu gewinnen, wurden mit jedem Krieg verfeinert und den medialen Gegebenheiten angepasst.
Mit der Erfassung von bin Laden wird sowohl die aktive Imagegestaltung wie auch die Macht über das Bild deutlich: Er selbst hatte zu Lebzeiten sein öffentliches Bild unter Kontrolle. Versteckt vor der Welt konnte er sein Porträt in seinen unregelmäßigen Videobotschaften genau kontrollieren. Wie jetzt herauszukommen scheint, hat er seine Auftritte geprobt und seine Haare gefärbt. Aufgrund des geheimen Lebens konnte kein unabhängiger Bildjournalist oder Amateurblogger mit eigenen Bildern diese Aufnahmen entlarven.

Mit seinem Tod ändert sich dies schlagartig. Ein offenbar bei ihm gefundenes Homevideo zeigt ihn alt und ergraut vor einem Fernseher sitzend. Hier scheint der private bin Laden zu sehen sein, der bin Laden hinter der Kamera. Plötzlich wird der Terrorführer zu einem armen einsamen Mann. Dies ist selbstverständlich das Ziel der US-Regierung: Mit der Macht über die Bilder die Aura der Person zu zerstören. Eine Veröffentlichung des toten bin Laden hätte ihn möglicherweise zu einem Märtyrer werden lassen, der Sympathien gewinnt, so die Befürchtung, weshalb man sich gegen die Veröffentlichung entschied. Bin Laden als einfacher Durchschnittsmensch entzaubert ihn zu einem Irgendwer. (Verschwörungsthoretiker mögen die Erfassung bin Ladens und die Aufnahmen als Lüge und Fälschung erkennen, der Wirkung der Bilder schadet dies wenig)
Dies erinnert an das Bild Saddam Hussein bei der Mudhöhleninspektion. Das Ziel war dasselbe: Die Ersetzung des staatlich verbreiteten Herrscherbildes durch das Bild eines lächerlichen Greises sollte seine Macht und den Widerstand gegen die US-Truppen brechen.
Das Bild des Toten hat seit alters her eine besondere Funktion: Das Effigies sollte das Andenken des Verstorbenen erhalten, den sterblichen Körper durch das bleibende Bild ersetzten. Nicht selten wurden daher Herrscherbilder zerstört, um damit die weitere Präsenz des Verstobenen und damit seine anhaltende Macht zu zerstören. Im elektronischen Zeitalter ist das Bild jedoch nicht einfach durch den Ikonoklasmus des Bildmediums zu entfernen. Das digitale Bild zirkuliert fast unvergänglich im Netz. Es kann nur durch Gegenbilder in seiner Wirkung konterkariert werden.
Das Ziel Visueller Kommunikation ist die Formung eines Images in den Köpfen der Betrachter. Wer Macht über Bilder hat, demonstriert seine Macht über Medien und Menschen. „First came the death of Osama bin Laden. Now comes the death of his carefully constructed image“, schreibt ein Kommentator richtig. Bemerkenswert dabei: In dem nun von der US-Regierung veröffentlichten Homevideo schaut sich Bin Laden selbst im Fernsehen an. Nam June Paik zeigte einst Buddah über sein eigenes Videobild kontemplierend. Narziss verliebte sich laut griechischer Mythologie in sein eigenes Bild im Wasserspiegel: „Denn im Trinken vom Schein des gesehenen Bildes bezaubert, Liebt er einen Wahn: er hält für Körper, was Schatten. Sich anstaunt er selbst, und starr mit dem selbigen Blicke.“ (Ovid, Metamorphosen, Buch III:402-436)

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